Betrachtungen zur Landschaftsgeschichte und -geomantie der Rhön
Monika Petermüller-Strobl
Juli 2024: Ich bin auf dem Weg zum bgr-Treffen in Buchenau, ca. 20 km von Fulda entfernt. Meine Berührung mit dieser Landschaft beschränkte sich bisher auf die Durchreise und so wird es mein erster längerer Aufenthalt in der Rhön sein. Ich nehme mir Zeit, reise einen Tag früher an, um in Ruhe die Umgebung kennenzulernen und einen ersten Eindruck zu gewinnen. In den Mauern an den Straßen begrüßen mich rote Sandstein- und schwarze Basaltblöcke (s.Foto), die einen ersten Hinweis auf die geologischen Gegebenheiten der Landschaft geben. Geologisch betrachtet gehört das Gebiet der Rhön zur Buntsandsteinlandschaft des Süddeutschen Schichtstufenlandes, welches sich zwischen Oberrheingraben, Donau und Thüringer Wald erstreckt.
Um die Geschichte dieser Landschaft verstehen zu können, müssen wir weit in die Vergangenheit zurückreisen. Vor rund 260 bis 190 Mio. Jahren existierte eine riesige, geschlossene Landmasse, welche alle heutigen Kontinente umfasste, das sogenannte Pangäa. Als sich dieses zusammenfügte, stieß der damalige Südkontinent Gondwana, bestehend aus Südamerika, Afrika, Antarktis, Indien und Australien an das nördlich gelegene Laurussia, welches Nordamerika, Grönland sowie Nord- und Mitteleuropa umfasste. Die Folge war die Entstehung eines riesigen Gebirges, der Varisziden, deren Gesteine heute in Mittelgebirgen wie dem Schwarzwald, Odenwald, Taunus, Bayerischen Wald oder dem Harz zutage treten. Das heutige Mitteleuropa kommt nun mitten im Herzen Pangäas zu liegen. Die Folge ist ein äußerst trockenes und heißes Klima, so wie wir es heute z.B. in der Sahara finden.
Circa sieben Millionen Jahre lang entstehen in dieser wüstenhaften Umgebung riesige Sandablagerungen, die Mächtigkeiten von über 1000m erreichen können: Es ist die Geburtsstunde des Buntsandsteins. Schließlich überflutet ein von Süden kommendes flaches Meer das Land und es bilden sich die Ablagerungen des Muschelkalkes (von 243 bis 235 Mio. Jahren), gefolgt von denen des Keupers (vor 235 bis 200 Mio. Jahre). Allein aus dieser Zeit finden wir durchschnittlich 300 bis 500m mächtige Kalke, Tone, Sandsteine, Gipse und Salze.
Nach einer langen Zeit der erdgeschichtlichen Stabilität beginnt vor rund 200 Mio.Jahren Pangäa Schritt für Schritt auseinanderzubrechen und die heutigen Kontinente entstehen. Während dieser Zeit überschwemmt das Jurameer (vor 200-145 Mio. Jahre) fast das ganze heutige Mitteleuropa. Die Folge ist eine ausgedehnte Ablagerung von Kalken, deren bekanntester Vertreter der Solnhofer Plattenkalk mit dem Urvogel Archäopterix ist.
Zusammenfassen zeigt sich damit für Mitteleuropa zunächst eine mehr oder weniger waagrechte Schichtung: Auf das variszische Grundgebirge als Basis werden die Sedimente des Buntsandsteins, des Muschelkalks, des Keupers und schließlich die Kalke der Jurazeit abgelagert.
Nach vielen Hunderten von Millionen Jahren einer gewissen geologischen Stabilität bricht mit dem Erdzeitalter des Tertiärs, das von 66 bis 2,6 Mio.Jahre vor heute andauert (heute international als Paläogen und Neogen bezeichnet), eine äußerst dramatische Zeit an. So bilden sich die Alpen heraus, der Nordatlantik öffnet sich und trennt nun Nordamerika von Europa und schließlich beginnt der Oberrheingraben zwischen Basel und Mainz einzubrechen.
Während durch hochsteigende Erdwärme aus dem Erdinneren die Basis des Grabens um bis zu 4000m absinkt, werden die Gesteine der benachbarten Bereiche links und rechts des zentralen Grabens um circa 2500m emporgedrückt. Als Folge werden die ehemals waagrecht übereinander abgelagerten Schichten vom Buntsandstein bis zum Jura schräg gestellt und fallen nun in Süddeutschland vom Oberrheingraben aus nach Osten hin ab (s. Abb.).

Ein allgemeines geologisches Gesetz besagt, dass ein Gebiet um so intensiver abgetragen wird, je weiter es emporsteigt. Da direkt anschließend an den zentralen Graben die Hebungsrate am größten ist, werden hier über Millionen von Jahren riesige Sedimentpakete abgetragen. Je näher ein Gebiet am Oberrheingraben liegt, desto mehr Schichten fehlen darüber und so treten heute in den Vogesen, dem Schwarzwald oder Odenwald Gesteine des variszischen Grundgebirges wie bspw. Gneise und Granite zutage. Je weiter ein Gebiet vom zentralen Grabenbereich dagegen entfernt ist, desto geringer ist seine Hebung und damit auch die Abtragung der oberen Schichten. So schließen sich an die Gesteine des variszischen Grundgebirges nach Osten hin Buntsandsteinlandschaften an, des Weiteren Muschelkalk-, Keuper- und Juragebiete. Letztere prägen die Landschaft der Schwäbischen und Fränkischen Alb (s. Abb.).

Da während des Tertiärs in Mitteleuropa zunächst ein wechselfeuchtes tropisches Klima herrscht, wird die Gestalt der Erdoberfläche in ganz besonderer Weise geformt. Die tausende Meter von Sedimenten des Buntsandsteins, Muschelkalks, Keupers und Juras zeigen mal härtere, mal weichere Ablagerungsschichten, was bedeutet, dass sie der Abtragung mal mehr, mal weniger Widerstand entgegensetzen können. Harte Schichten werden durch die Verwitterung herauspräpariert und bilden gemäß der Schichtung von Westen nach Osten abfallende Landoberflächen. Von einer Schichtfläche zur nächsten erfolgt eine Steilstufe, wie bei einer Treppe: ein Schichtstufenland ist entstanden. So fällt heute, ausgehend vom Schwarzwald/Odenwald, die Landschaft nach Osten hin leicht ab, um dann in einem Steilanstieg zum nächsten Niveau anzusteigen (s. Abb.). Besonders schön lassen sich die Schichtstufen des Jura zwischen Ulm und Stuttgart beobachten. Am bekanntesten ist hier die Steilstufe der obersten Juraschichten (weißer Jura, Malmkalk) im Bereich der Geislinger Steige.
Durch die starke Beanspruchung der Erdkruste während des Tertiärs kommt es schließlich dazu, dass in manchen Bereichen Basalt aus dem Erdinneren hoch steigt. Auf diese Art und Weise entstehen bspw. der Vogelsberg oder die Basaltkuppen der Rhön (s. Foto).

Meine geomantische Wahrnehmung der Buntsandsteinlandschaften um Fulda sind eng mit ihrer geologischen Entstehung verbunden. Mit den sehr jungen Sedimenten der Eiszeit (Beginn vor 2,6 Mio. Jahren) aus dem Raum München vertraut, ist das Erste, was ich erspüre das vergleichsweise hohe Alter der Gesteine. Die Landschaft fühlt sich etabliert an, gereift. Sie strahlt Stabilität aus. Besonders auffällig ist für mich der Buntsandstein: seine große Freude, heute an der Oberfläche zu sein, üppiges Grün zu tragen, dem Leben zu dienen. Angehäuft unter wüstenhaften Bedingungen, dann überlagert durch viele Hunderte Meter von Sedimenten, findet er sich heute zum ersten Mal seit seinem Bestehen unter feuchten Klimabedingungen an der Erdoberfläche. So grüßen die Buntsandsteinblöcke, die die Totenkirche bei Rothenkirchen aufbauen, schon von Weitem mit ihrer Lebensfreude und dem Stolz, ein solches Bauwerk darstellen zu dürfen. Es ist ein Bereitstellen von Lebensenergie für die Menschen, die Tiere, die Pflanzen, das Wasser. Die Landschaft wirkt einladend, lieblich, die Menschen willkommen heißend. Die über zweihundert Quellen der Rhön unterstreichen dies.
Über den sanften Hügeln der Landschaft finden sich zahlreiche bewaldete Basaltkuppen, die die Umgebung überragen und als Einstrahlpunkte fungieren, wie dies z.B. die Erhebung des Petersberges bei Fulda in besonderem Maße tut. Himmels- wie Erd-Chi werden über die Landschaft verteilt und tragen zu dem hohen Niveau der Lebensenergie bei. Davon zeugen auch die frühen Besiedlungsspuren des Raumes um Fulda, die bereits um 5000 v.Chr. nachweisbar sind.
Besonders auffallend für mich sind die teils stark eingeschnittenen Sohlentäler der Rhön, die mit ihren breiten, flachen, grünen Talböden ebenfalls die Landschaft prägen. Recherchen ergeben, dass die Entstehung dieser besonderen Talformen auf Schwankungen des Meeresspiegels während der Eiszeit (Beginn vor 2,6 Mio.Jahren) zurückzuführen sind.
So liegt während der letzten großen Vereisungsphase vor 115 000 bis 10 000 Jahren vor heute, der sog. Weichsel- bzw. Würmeiszeit, der Meeresspiegel rund 100m tiefer als heute, was zur Folge hat, dass sich die damaligen Flüsse tief in die Landschaft einschneiden. Als es wärmer wird, führt das weltweite Abtauen des Eises wieder zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Das abfließende Wasser in den Tälern gerät ins Stocken und die Flüsse füllen mit ihren Sedimenten die ursprünglichen V-förmigen Täler auf bis schließlich breite, ebene Talsohlen entstehen. Es ist eine wechselvolle Geschichte – einmal wüstenhaft, dann eisig, einmal über dem Meeresspiegel, dann überflutet von Salzwasser – welche die Rhön prägt. Und was passiert heute? Nicht viel. So schneiden sich die Flüsse in den Boden ihres Sohlentales langsam ein und steile Talhänge zeigen leichte Rutschungserscheinungen. Für mich auffallend ist, dass es keine vegetationslosen Stellen in der Landschaft gibt, vielmehr ist die Farbe Grün überall gegenwärtig. Die beruhigende Wirkung dieser Farbe, die Sanftheit, Etabliertheit und die Lebenskraft der Rhön führen dazu, dass ich mich hier sehr wohl fühle. Es ist eine reiche Landschaft. Viele geologische, geschichtliche, kulturelle und geomantische Schätze gibt es hier zu entdecken. Und so fahre ich nach erlebnisreichen Tagen nach Hause, tief beeindruckt von der Kraft Gaias, die sich hier in einer ganz besonderen Form zeigt!
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